Auszüge aus einem Interview mit Peter Plaimer, Regionalmanager der Region Südkärnten über die Drau und die Region.

„ES FEHLT AM LIEBEFOLLEN UMGANG MIT DEM FLUSS!“


Gibt es ein einprägsames Kindheitserlebnis, das Du mit der Drau verbindest?

Ja, das gibt es tatsächlich. Als wir hier (Anmerkung: am Kreuzbergl über dem Völkermarkter Stausee) mit dem Hausbau begonnen haben, gab es schnell den Wunsch, ein Boot zu besitzen.

Und dann haben sich meine Eltern ein Segelboot angeschafft und haben am Ufer gleich unter unserem Haus, das war damals noch möglich, einen eigenen Bootssteg gehabt und das Boot verankert und hatten große, große Freude. Und zwei oder drei Tage später gab es einen Starkregen, wir haben hinuntergeschaut und das Boot war versunken und wir mussten die Feuerwehr holen, damit sie das Boot wieder herauszuholen. Mit dem Segeln an sich ist hier nicht wirklich was weitergegangen und lang haben wir das Boot nicht gehabt.

Was strahlt für Dich die Drau aus?
Was empfindest Du?

Eine ganz tiefe Liebe zu dem Fluß, zu Wasser generell. Dass es der Kärntner Hauptfluss ist, kommt dazu – fließend, wie das Leben. Einer meiner größten Wünsche ist es, das Schwarze Meer zu besuchen und zu umrunden, einfach weil ich weiß, da mündet die Drau. Ich spüre aber auch einen starken Zusammenhang mit der Quelle. Ich bin ja schon viele Male den Drauradweg gefahren, vom Toblacher Feld weg, weil es so faszinierend ist zu sehen, wie der Fluß wächst. Von Oberdrauburg bin ich mit einem Freund mit einem Faltboot bis nach Maria Rain gepaddelt. Für die restliche Strecke bis hierher hat uns dann die Kraft gefehlt, weil wir unterschätzt haben, wie schwach die Strömung ist.

Die Kärnten Werbung bezeichnet die Drau als „grüne Lebensader und Grande Dame“ des Landes. Ist sie das?

Nein, also ganz bestimmt nicht. Und noch viel trauriger finde ich, dass die Drau in bestimmten Kreisen immer noch als Grenze gesehen wird. Das ist äußerst schmerzvoll, das hör ich in der Regionalentwicklung hier in Unterkärnten immer wieder und genau das Gegenteil ist sie: ein Lebensquell, eine Hauptschlagader. Aber das kommt aus der Geschichte heraus und wenn ich nur Völkermarkt anschaue: vor 20 Jahren wollte ich, dass die Stadt die Drau im Namen annimmt: Völkermarkt an der Drau. Man hat natürlich früher vor Flusslandschaften Angst gehabt und dieser Abhang, diese 60 Meter von der Stadt zur Drau, sind wirklich eine Barriere. Gerade jetzt in der Pandemie, was ich da beobachtet habe, welche Völkerwanderungen sich da bewegt haben entlang der Draubucht, was das für ein Naherholungsgebiet sein könnte, was es für die Stadtentwicklung bedeuten könnte, wenn man sich zur Drau hin öffnet, da gäbe es so viel Potential!

Mein Eindruck ist immer, dass die Drau in unserem Bewusstsein bald nach Lavamünd irgendwie aufhört?

Das stimmt absolut, das muss ich auch in Bezug auf die Kärnten Werbung feststellen: Lange Zeit hat der Drauradweg in Lavamünd einfach aufgehört. Wir haben ihn immer weiter gedacht, zumindest bis Marburg, dann aber auch weiter. Aber es ist schon so: man denkt nicht sosehr über die Grenzen hinaus.

Man hat ja als Oberliga eines Flusslaufes immer auch eine Verantwortung für die danach Folgenden. Man hat das mit den Kraftwerksbauten schon massiv verändert, aber noch immer schmiegt sich die Drau bei uns sehr bedeutsam und sehr lieblich in die Landschaft. In Slowenien bei einem Staudamm (Anm.: Kraftwerk Dubrava, kurz vor der Mündung der Mur in die Drau), wenn man das mit mehr Gefühl für die Landschaft sieht, da könnten einem schon die Tränen kommen. Im Vergleich zur Donau: Die Donau, mit Wien und Budapest, mit der Befahrbarkeit, der Wirtschaftskraft, war schon immer viel mehr über die Grenzen gedacht.
Und dann ist es ja ein wenig eine Charaktereigenschaft der Kärntnerinnen, die ich nicht mag: was brauchen wir die Welt, wir habens da eh so schön. Das kann ich nicht hören! Weil schön ist es wirklich überall und das grenzt einen derartig ein!

Du hast vorher erwähnt, wie viele Leute sich jetzt an der Drau bewegen. Gibt es da noch Potential?

Unglaubliches Potential! Ich bin kein Fischer, aber die Fischerei und auch, was sich im Vogelschutzgebiet Neudenstein entwickelt hat, was sich mit den Kompensationsflächen zum ÖBB-Bahnbau entwickelt hat, was renaturiert wurde, ist unglaublich schön. Man kann auch beobachten, dass die Frequenz am Drauradweg ständig zunimmt in den letzten Jahren, da hat die Kärnten Werbung auch viel beigetragen. Wir warten noch sehnsüchtig darauf, dass es Richtung Slowenien noch attraktiver wird, dass gerade die Strecke Lavamünd bis Maribor familienfreundlicher gestaltet wird. Es wird ausgebaut, aber es dauert noch ein paar Jahre. Wir haben dazu beitragen können, dass es möglich sein wird, mit der Bahn zurückzufahren. Da erhoffen wir uns, dass die Frequenz des Bahnverkehrs, auch zur Koralmbahn hin wieder zunehmen wird. Das wird auch etwas Wunderbares sein. Von hier mit dem Rad nach Maribor zu fahren, einen Kaffee zu trinken und mit der Bahn wieder zurück.

Meinem Eindruck nach werden die Drauareale noch recht wenig für Kulturveranstaltungen genutzt. Täuscht dieser Eindruck?

Er täuscht dich nicht, wobei es tut sich schon ein bissl was. Es hat gerade zu CarinthiJA 2020 ein Projekt gegeben, in dem die Brücken inszeniert wurden, wo Kunstschaffende eingeladen wurden, alle Brücken zu gestalten. Diese Kultur- und Naturlandschaft bietet sich wirklich an für Kulturschaffende. Ein gutes Beispiel ist die Beleuchtung der Völkermarkter Stauseebrücke, das hat der Edwin Wiegele gemacht. Es gibt auf der Insel vorne eine gebogene Stele, die auch Edwin Wiegele gestaltet hat zum Thema Fluss. Leider hat man auch versucht den Drauradweg zu einem Abstimmungsradweg zu machen, hat Kriegerdenkmäler aufgestellt, was wieder die Grenze hervorhebt und mir nicht so gefallen hat, aber wie auch immer. Wir planen jetzt etwas in Lippitzbach. Lippitzbach ist ja ein unglaublich schöner Ort und die Gemeinde Ruden hat sich sehr darum bemüht, dass die Eisenbrücke nicht abgerissen sondern als Fußgängerbrücke erhalten wird. Dann kann man zumindest zwischen Bleiburg und Ruden mit dem Rad fahren. Da gibt es das Museum am Bach, die auch sehr umtriebig sind und in Lippitzbach soll ein Kristallisationspunkt zur Kultur entstehen.

Wäre es nicht interessant, Kulturakteureinnen und Vereine noch stärker dazu zu motivieren, sich mit der Drau auseinanderzusetzen?

Ja, auf jeden Fall. Es fehlt einfach am liebevollen, empathischen Umgang der Menschen, die hier leben, mit dem Fluss. Wir haben im Grunde genommen hier keine richtige Infrastruktur. Der Drauradweg ist ja fast ein Wunder. Wenn Du dich nur diese Bucht entlang bewegst und siehst, wo hier die Bänke stehen, wie lieblos diese Plätze hier einfach existieren, ohne eine Bedeutung zu haben oder ihnen eine Bedeutung zuzuschreiben, dann tut mir das wirklich weh und es ist mir in den 20 Jahren nicht gelungen, hier eine Empathie zu wecken. Die Stadt Völkermarkt hat da wirklich noch riesiges Potential und wenn ich flussaufwärts gehe, Richtung Neudenstein: Was das für ein wunderschöner Weg ist, aber wo so gar nichts eigentlich vorhanden ist. Ist es auf der einen Seite der Zugang, das näherbringen Wollen, das Wertschätzen das noch fehlt. Und ja, ich glaub auch, über Vereine und Kulturakteureinnen so eine Empathie zu wecken, Mitstreiterinnen zu finden, das hab ich vielleicht zu wenig verfolgt. Über den Tourismus alleine gelingt es nicht. Es braucht Menschen, die einen entsprechenden Bezug haben und die Politik braucht es natürlich auch.
Es fehlt die Infrastruktur und es fehlt der Bezug. Vielleicht sind wir durch die abwechslungsreiche Landschaft, die wir in Kärnten haben, so verwöhnt, dass man die Notwendigkeit nicht sieht.

Du hast das Thema der Drau als mentale Grenze angesprochen und dass Denkmäler dazu beitragen können, diesen Aspekt zu betonen. Könnte man die Drau, oder das Drauufer als Erinnerungsort nicht auch so „inszenieren“, dass die Erinnerung nicht auf den 10. Oktober 1920 reduziert ist, ohne ihn auszusparen?

Gerhard Leeb war der Projekttreiber des Brückenprojektes und der hat das ganz konsequent durchgezogen und da war die Zweisprachigkeit eine Selbstverständlichkeit. Wir haben da schon viele Baustellen. Dieses Miteinander, die Zweisprachigkeit: Jeder sagt, was für eine Bereicherung das ist, aber gelebt wird das nicht! Da fehlt noch einiges. Das wird noch ein, zwei Generationen dauern und ich bin schon überrascht, wie Vorbehalte trotzdem wieder auf Junge übertragen werden. Eine gewisse Selbstverantwortung muss man jedem Menschen zutrauen und auch einfordern, dass man nicht alles, „was die Alten sungen“, einfach so übernimmt.

Hast Du einen Klang der Drau im Ohr?

Ja, ich hör sie im Winter, die Eisflächen. Das ist ja ein unglaubliches Gehörerlebnis, wenn die Eisflächen zu Singen beginnen. Das passiert eigentlich jeden Winter. Die Stauseebucht friert meistens zu und durch die Temperaturschwankungen und die Schwankungen im Wasserspiegel kommt es zu Spannungen im Eis und wenn Sprünge entstehen, dann singt die Drau, dann pfeift sie. Ansonsten ist die Drau recht still.

Was sind deiner Meinung nach die massivsten Veränderungen, die die Region und die Drau in den letzten 100 Jahren erfahren haben?

Das ist der Kraftwerksbau. Die Kraftwerke, die vor, während und nach dem 2. Weltkrieg errichtet wurden, haben die Landschaft unglaublich beeinflusst. Die Wasserfläche, gerade durch das Kraftwerk Edling, ist schon sehr dominant. Es ist uns aber nicht mehr bewusst.

Der Brückenbau, die neue Lippitzbachbrücke, die Ruden mit Bleiburg verbindet. Auch diese Brücke (Anm.: über den Völkermarkter Stausee) ist von einer Holz- in eine leistungsfähige Brücke verwandelt worden.

Ein Kulturjuwel und Highlight, das ich bisher ganz vergessen habe, ist das Liaunigmuseum. Wenn man da auf die Terrasse hinausgeht und von oben die Drau, die so erhaben ist, anschaut: Vielleicht ist das auch ein Projektort, wo man sich überlegen könnte, wie man mehr Verbindungen über das Wasser schaffen und die Grenze überwinden könnte, die ein Fluss halt dann doch auch immer ist.

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