Auszüge aus einem Gespräch mit Arthur Ottowitz, dem Obmann der Kulturinitiative Bleiburg

… OHNE BRÜCKEN GÄBE ES WIRKLICH EINE TRENNUNG …

Gibt es ein prägendes persönliches Erlebnis, dass Du mit der Drau verbindest?

Arthur Ottowitz: Die Drau im Südkärntner Raum unterscheidet sich ja gänzlich von der Oberkärntner Drau. Sie ist durch die vielen Stauseen gezähmt, hat fast Seencharakter. Aber lange Zeit war die Drau, von Bleiburg aus gesehen, eine Trennung, ein Graben. Man ist früher wirklich merkbar über die Drau gefahren, von einer Seite zur anderen hin, was jetzt, seit es die Jörg Haider Brücke gibt, nicht mehr der Fall ist. Ich würde sie ja Wiesenmarkt-Brücke nennen, weil sie durch die jahrelange Beharrlichkeit unseres Bürgermeisters, der immer bei der Eröffnung des Wiesenmarktes gesagt hat, wir brauchen eine Draubrücke, damit der Südkärntner Raum besser angeschlossen ist an die Südautobahn. Und seit es die Brücke gibt, dass muss ich wirklich sagen, hat sich etwas getan. Die Anbindung nach Graz vor allem und auch nach Klagenfurt ist wirklich besser geworden. Für die Wirtschaft und den Tourismus ist das von enormer Bedeutung. Man hat das erst vor kurzem wieder deutlich gesehen, als die Brücke am Völkermarkter Stausee saniert wurde und gesperrt war, was für eine Umstellung das für die ganz Region bedeutet. Deshalb hab ich die Kunstaktion von Gerhard Leeb im Rahmen von CarinthiJa 2020 so toll gefunden, der ja damit das Verbindende der Brücken sichtbarer gemacht hat.

Wenn man bei uns zur Drau hinuntergeht erlebt man eine ganz besondere, fast lyrische Stimmung, sehr ruhig, weil der Lärm, den man oben hört, unten kaum zu hören ist.

Also war die Drau jahrhundertelang schon eine Trennung, die jetzt nicht mehr spürbar ist und das gilt auch für die sprachliche Trennung, die in einem gewachsenen Sinne zwar noch vorhanden ist, die aber unter den heutigen Bedingungen nicht mehr solche Folgen entwickeln könnte, wie in den vergangenen Jahrhunderten.

Die Kärnten Werbung spricht von der Drau als Grande Dame und grüner Lebensader des Landes. Kannst Du das nachvollziehen?

Arthur Ottowitz: Eine Lebensader ist sie, wie jeder Fluss, überall dort, wo Städte und Siedlungen direkt an der Drau sind, so wie in Villach, wo Menschen unmittelbar mit der Drau leben. Bei uns in Südkärnten ist sie, weil sie in einem tiefen Einschnitt dahinfließt, gar nicht so unmittelbar spürbar. Aber „Ader“ ist vielleicht tatsächlich ein passender Ausdruck. Adern haben auch viele Verästelungen, wie die Drau. Und diese Zuflüsse, die die Verästelungen darstellen, sind die Lebensadern der Ortschaften, wie der Feistritzbach für Bleiburg.

Lebensader ist sie aber auch im Sinne der elementaren Bedeutung, die Wasser grundsätzlich für Menschen hat und die man an der Anziehungskraft erkennen kann, die Wasser auf kleine Kinder und Erwachsenen ausübt.

Im Gegensatz zur Donau, so scheint mir, denkt man bei der Drau nicht leicht daran, dass dieser Fluss weit in den Osten und mit der Donau bis in Schwarze Meer reicht. Ist das so?

Arthur Ottowitz: Ja, das stimmt sicher. Diese internationale Aspekt, dass die Drau in Verbindung mit der Donau eine europäische Lebensader ist, ist ein Gedanke, der mir eigentlich auch fremd ist. Vielleicht, weil das Weg bis zum Meer halt dann doch ein sehr weiter ist.

Wie geht’s dir mit dem Anspruch, die Drau als unseren Fluss, als „unsere Drau“ zu verstehen?

Arthur Ottowitz: Wenn man das „unser“ in einem ganz globalen Sinne versteht, als allgemein menschlich, kann ich dem etwas abgewinnen. Aber in einem exklusiven Sinne könnten das ja zuerst die Italiener sagen, dann die Osttiroler, dann die Kärntner, die Slowenen, die Kroaten und so weiter. Die Drau ist kein Kärntner Fluss und kein Slowenischer Fluss, sie entzieht sich jeder Vereinnamung und verliert damit nichts, sondern gewinnt noch ganz viel dazu.

Bildet die Drau für Dich nach wie vor eine innere Grenze in der Region?

Arthur Ottowitz: Also für mich ist sie das nicht, ich spür das gar nicht. Diesseits und jenseits der Drau macht für mich keinen Unterschied. Wenn ich über die Drau fahre habe ich auch nicht das Gefühl, dass ich dann woanders bin.

Welche Rolle in der Entwicklung der Region spielt die Drau und könnte sie noch einnehmen?

Arthur Ottowitz: Also ich finde es beispielsweise ganz wichtig, dass die alte Lippitzbachbrücke jetzt doch erhalten bleibt. Es ist erstens ein wunderschönes Baudenkmal, es ist aber auch mehr. Es wird da so viel Geschichte mittransportiert, die wahrscheinlich den wenigsten bewusst ist, die frühere Bedeutung von Lippitzbach als Industrieort. Aber auch die Schönheit der alten Industriearchitektur zeigt sich am Beispiel dieser Eisenbrücke, besonders von weiter oben, von der neuen Brücke aus. Das wäre ganz weggewesen, wenn man die Brücke weggerissen hätte.

Was sind für dich die markantesten Veränderungen der Region in den letzten 100 Jahren, die auch Bedeutung für die Zukunft haben?

Arthur Ottowitz: Wo fängt man da an? Beim gemeinsamen Kulturraum, wo wir das Privileg haben, darin zu leben, der sich vom Keltisch-Römischen, Slawischen und Bajuwarischen über Jahrhunderte entwickelt hat, ohne, dass wirkliche, wirksame Grenzen eine Rolle gespielt hätten. Bis im 19. Jahrhundert die nationalen Strömungen vermittelten, man müsse sich voneinander abgrenzen, man müsse Nationalstaaten errichten, mit allen Schrecknissen und Kämpfen, die damit verbunden waren. Da hat unser Raum Südkärnten mehr als leidvolle Erfahrungen gemacht und die Drau war ein Ort, der viel Leid gesehen hat. Der Nationalismus hat im 20. Jahrhundert schreckliche Konsequenzen nach sich gezogen. Wenn man nur unsere zwei Volksgruppen hernimmt: die Aussiedelungen, die Verschleppungen auf der anderen Seite, die Opfer, die zu Täter wurden und die Täter, die zu Opfern wurden. Das alles hat unglaubliche Wunden gerissen, die bis in die 80er, 90etr Jahre nicht verheilt waren. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass sie verheilen, dass man sich auf Augenhöhe begegnet und dass Slowene oder Deutscher zu sein keinen elementaren Unterschied mehr bedeutet. Und da ist unsere Kulturstadt Bleiburg/Pliberg ein gutes Beispiel dafür, wie man ganz selbstverständlich, so wie man das jahrehundertelang früher auch getan hat, miteinander leben kann.

Das Interview führte Michael Aichholzer.

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